Kunstgeschichte ist geprägt und schreibt sich fort durch Künstler, die den Rahmen ihrer Zeit sprengten, neue Wege beschritten und damit das Sehen und die Wahrnehmung der Welt beeinflussten. Zwanzig davon stellt Silke Vrys umfangreiches, edel gestaltetes Buch vor, 19 Männer und eine Frau. Der umfangreiche Text ist leicht verständlich geschrieben und spannend zu lesen. Vry beginnt ihre biographischen Skizzen mit Episoden aus dem Leben der Künstler, die teilweise als wahr, teilweise als Legenden überliefert sind. Über letzteres lässt sie die Leser nicht im Unklaren. Die Episoden vermitteln einen kleinen Eindruck des Lebens in der jeweiligen Zeit, bringen die Persönlichkeiten der Künstler den Lesern näher, erwähnen Zeitgenossen bzw. religiöses und politisches Zeitkolorit. Im Anhang finden sich weitergehende biografische Informationen und ein Kunst-ABC rundet das Buch ab. Da sich in der Renaissance das Selbstverständnis der Künstler entfaltete und aus einem Handwerk „die Kunst“ wurde, beginnt Vry mit dieser Epoche. Dabei verwundert den Kunstinteressierten, dass einige wegweisende Vorgänger fehlen, möglicherweise der unzureichenden Quellenlage geschuldet. Doch auch die Auswahl der Künstler ist etwas unklar. Warum haben es nur zwei Künstler aus dem Barock oder nur drei Künstler aus klassizistischen bzw. romantisch-realistischen Strömungen ins Buch geschafft? Die Renaissance dagegen ist mit sieben Künstlern vertreten. Natürlich musste die Autorin Entscheidungen treffen, aber vielleicht war der Anspruch, Künstler aus sechs Epochen auf diese Weise in einem Buch zu versammeln doch zu hoch. Vry wählte jeweils ein Werk pro Künstler aus, dessen Wichtigkeit sie für das Gesamtwerk für bemerkenswert hält. Dieses ist jedem Kapitel vorangestellt. Auf weitere Abbildungen wurde unverständlicherweise verzichtet, abgesehen von sechs beispielhaften Gemälden, welche die jeweilige Epoche einläuten, beginnend mit einem Fresko aus dem frühen 14. Jh., endend mit einem Beispiel aus den 1960er Jahren. Zwar sind die einfarbigen Grafiken von Hans Baltzer gelungen (Portraits der Künstler, Szenen aus deren Leben), doch können sie Abbildungen anderer Werke schwer ersetzen, besonders dann, wenn diese im Text erwähnt bzw. beschrieben sind. So erscheint das Text-Bildverhältnis insgesamt nicht stimmig.
Als Einstieg jedoch ist Vry und Baltzer ein beachtenswertes „Hausbuch der Kunst“ gelungen, das zu weitergehendem (Kunst-)Studium einlädt. So verstanden, hätten sich weitergehende Literaturtipps am Ende des Buches angeboten.
(Der Rote Elefant 30, 2012)