Bücher mit gesammelten Biografien haben Konjunktur, vom Bilderbuch bis zum Jugendbuch. Biografien in Kurzform können informativ sein und Neugierde wecken. Im besten Fall führen sie dazu, dass man sich mit der einen oder anderen Persönlichkeit intensiver beschäftigt. Simon Schwartz’ Auswahl für seine Comic-Reihe Vita Obscura, die seit 2019 im F.A.Z.-Magazin veröffentlicht wird, folgt scheinbar einer einzigen Prämisse: Eher unbekannt und möglichst ungewöhnlich müssen die biografischen Anekdoten sein, die er jeweils auf einer Comic-Seite präsentiert und die nun gesammelt in einem Band vorliegen.
Die Auswahl könnte unterschiedlicher nicht sein: seien es die grausamen Leibärzte des Sonnenkönigs, die einzige Überlebende einer mehrjährigen Polarexpedition, der Erfinder der berühmten Espresso-Kanne, die Frau, die der Wissenschaft eine unsterbliche Zelle bescherte, oder der Bruder eines berüchtigten Nazis, der aktiv Widerstand leistete und KZ-Häftlingen zur Flucht verhalf.
Schwartz legte bei seiner Auswahl Wert auf geschlechtliche und kulturelle Diversität – sogar ein Tier und eine künstliche Lebensform haben es in die Reihe geschafft.
Es gelingt dem Künstler, auf einer Seite im Hochformat viele und vor allem prägnante Informationen unterzubringen. Zudem beeindruckt die bildkünstlerische Vielfalt, denn jede Biografie gestaltet Schwarz grafisch orientiert an der Person oder ihrer Zeit. Sei es die frühmittelalterliche Buchmalerei beim Mönch Antonius von Koma, die verpixelten Screenshot-Ansichten bei Apple-Mitgründer Ron Wayne oder Fensterglasmalerei bei der geldwuchernden Schauspielerin Adele Spitzeder.
Schwartz reizt die Möglichkeiten des Mediums Comic aus, zeigt die Mannigfaltigkeit von am Computer geschaffenen bzw. bearbeiteten Illustrationen und beweist, wie groß die Bandbreite seines Könnens ist.
Ergänzend sei das bereits 2014 erschienene Buch Vita Obscura empfohlen, in dem (damals noch im Querformat) Kurzbiografien veröffentlicht sind. Diese erschienen von 2012 bis 2016 im Freitag und sind nicht minder interessant und überraschend gestaltet.
Nach einer Analyse ausgewählter Beispiele und der Klärung, warum sich der Künstler für welche grafische Form entschied, ließen sich in schulfächerübergreifender Form weitere Biografien gestalten.