Titel und Einband lassen eine moderne, spannende Adaption der Odyssee erwarten: im Bild der kindliche Protagonist vor eine hundsgefährliche Situation gestellt, darüber sein Name groß und rot in hieroglyphenartiger Schrift. Tatsächlich erzählt das Buch das berühmte Heldenepos inkl. Rahmengeschichte (!) nach, jedoch als berührende Entwicklungsgeschichte eines Jungen, dem eben dieses Epos hilft, über sich hinauszuwachsen.
Prolog: Für große Jungs, die gern Krieg spielen, ist Dysseus „So ein Niemand, so ein Knilch.“ Auf dem Klo Zuflucht suchend – an dessen Wand sind ein Segelschiff, ein nackter, bärtiger Mann und das Wort Ithaka gekritzelt – wünscht er sich Held der Geschichte zu sein.
Teil 1: Aufgrund eines mächtigen Sturms landet der Bus statt zuhause in ferner, unbekannter Gegend. Dysseus wagt es, sich und die Kameraden aus der ‚Verirrung‘ zu führen. Unterwegs erleben die Zehn etliche Abenteuer, bei denen immer mal einer verloren geht. Teil 2: Endlich heimgekehrt und allein, findet Dysseus seinen Platz in der Familie durch einen nach ihm benannten, scheußlichen Hund besetzt. Doch mit Hilfe der Schwester gelingt es ihm, Tier und Eltern auszutricksen und sich schließlich sogar den großen Jungs zu stellen. Er ist nämlich kein Niemand, er ist: Dysseus!
Für Kenner des Stoffes ist es überaus vergnüglich, auf sprachlicher, inhaltlich-formaler und bildlicher Ebene Vergleiche zu ziehen. An Homers Text angelehnt, erzählt Dysseus kapitelweise in Versen: rhythmisch-melodisch, teils gereimt und voller Alliterationen. Rapverdächtig! (Eine Meisterleistung auch des Übersetzers!) Die Abenteuer des antiken Helden sind phantasie- und humorvoll der Gegenwart anverwandelt: Einem einäugigen Bauern entkommen die Jungen wie einst Odysseus mit seinen Mannen dem Kyklopen Polyphem; ein Bauschacht und ein Kran erweisen sich als Scylla und Charybdis; den Sirenen entflieht die Mannschaft auf Fahrrädern mit Kaugummi in den Ohren; Kirke verzaubert in doppeltem Sinne und in einem Bunker sagt die verstorbene Oma die Zukunft voraus.
Die textliche Verflechtung von Mythologie und Adaption spiegelt sich gleichsam symbiotisch in Bildern und Bildelementen wider: farblich reduziert auf Schwarz-Weiß-Grau und Orange weisen comichafte Porträts und Zeichnungen auf fast jeder Seite Interieur, Symbole oder Ornamente aus der Vorzeit auf. Verständlich und packend sind Lektüre nebst Bildbetrachtung auch für ‚Nichtkenner‘. Für Vermittler*innen bietet sich an, über vorliegende Adaption zum Odysseus-Mythos selbst hinzuführen.
(Der Rote Elefant 36, 2018)