Mit „Mucks“ stellt sich der Junge in der grasgrünen Badehose der 12jährigen Zonja vor, nachdem ihn diese vorm Ertrinken gerettet hat. Noch weiß Zonja nicht, dass sich der 13-jährige Fabian so nennt, weil er gegenüber dem Vater niemals aufmucken durfte, was ihn jedoch vor Gewaltattacken nicht schützte. Sie weiß nicht, dass Fabian, Mutter und Oma wiederholt umzogen, in der trügerischen Hoffnung, der Vater fände die Familie nicht. Mit den rotblonden wild abstehenden Haaren und den sonnendurchleuchteten Segelohren kommt der überalterte Nichtschwimmer Zonja wie ein Außerirdischer vor: „dünn und groß wie die frischgepflanzten Birken vorm Friedhof …“.
Bisher interessierten Zonja Menschen vorrangig als Spezialisten, die ihre Fragen zu wissenschaftlichen Welträtseln beantworten konnten. Nun ist sie fest entschlossen, das Rätsel „Mucks“ zu erkunden, auch wenn es dazu Mut braucht. Mucks Scrabble-Passion ist dazu eine Brücke, zumal Zonja mehr Wörter kennt als er. Auch wenn der Freund zu verschlossen ist und sein Jähzorn samt Kritik ihrer „heilen“ Familie sie zutiefst verletzt, Zonja will ihn verstehen lernen. Ganz gelingt ihr das nicht, aber Mucks schafft einen ersten Schwimmzug und letztlich wird ihn Zonja mit Unterstützung ihrer Mutter erneut „retten“ und davor bewahren vom Opfer zum Täter zu werden. Stefanie Höflers Erzählung über eine schwierig-schöne Kinderfreundschaft zwischen Einzelgängern vor dem Hintergrund sehr verschiedener Familienprägungen überzeugt durch die originelle und psychologisch glaubhafte Welt- und Selbstbetrachtung der Ich-Erzählerin. Egal ob Zonja sich über Einzelgänger in der Tierwelt, Alter und Größe des Universums, kosmische Anziehungskräfte, Behausungen für Menschen oder Stress- und Glückshormone ausbreitet – was auch Leser schlauer macht – letztlich lässt sie die Autorin immer bei sich ankommen und zunehmend Mucks in ihre Reflexionen einbeziehen. Sie zeigt Zonja als genaue Beobachterin der (Um)Welt, was in ungewöhnlich-bildhafte, aber auch witzig-ironische Vergleiche und Motiventscheidungen mündet. So dient das Labyrinth einerseits als Reflexionsanlass über verirrte Lebenswege und andererseits als Beispiel einer liebevollen Mutter-Tochter-Beziehung. Leider werden Wie-Vergleiche für Zonjas Gefühle überstrapaziert, was vermuten lässt, die Debütantin traue ihrem gekonnt gebauten Text nicht. Wo war da ein mäßigendes Lektorat?
Trotzdem ein Kinder sehr ernst nehmendes Buch, das die verlogene Floskel „Alles wird gut“ reflektiert und insgesamt ad absurdum führt.
(Der Rote Elefant 33, 2015)