Erzählt wird von einer Sohn-Vater-Beziehung und von Schmerz, für den beide noch keine Worte haben. Noch wissen die Protagonisten nicht, wer sie nach dem Tod der Mutter / Partnerin nun selber oder was sie füreinander sind. Das abgelegene Haus im verschneiten Wald ist beklemmend still. Der namenlose Ich-Erzähler liegt ruhelos im Bett: „Das Fenster ist ganz schwarz … Ich kann nicht schlafen.“ Er geht zu seinem Vater, dieser sitzt gebeugt im Wohnzimmer. Was wäre, wenn der Fuchs den roten Vögeln das ausgelegte Brot wegfrisst? „‘Wird schon gutgehen‘, sagt Papa.“ Erst spät kommt der Tod überhaupt zur Sprache: „Oma hat gesagt, die roten Vögel wären tote Menschen“ oder „Wacht sie [Mama] nie wieder auf?“ Ein Spaziergang, der Vater trägt den Jungen, und das Warten auf eine Sternschnuppe lösen die Starre, trösten: „Ich sehe den Mond, der ein Boot ist. Papas Arme sind auch ein Boot“.
Dreidimensionale, übermalte oder überzeichnete, gefaltete und geklebte Papier- und Papp-kollagen – kunstvoll ausgeleuchtet, fotografiert, bearbeitet und wie Bühnenbilder angeordnet – stehen zum poetisch-dichten Text in einem intensiven Spannungsverhältnis. Material und Kombination der Illustrationsbestandteile vermitteln den Eindruck von Fragilität, so als könne ein Windstoß jede Bodenhaftung lösen. Die papierene Natur, in die sich Vater und Sohn später begeben, wirkt dagegen kompakt-stabil. Insgesamt versinnbildlichen Licht, Schatten und Farbgebung Beziehung und Trauerprozess: Licht fällt vom Wohn- ins Kinderzimmer, doch zunächst sind die Räume zu groß, leer, schwarz; die weiße Eislandschaft abweisend. Nach dem Spaziergang leuchtet das Kaminfeuer orange-warm. Bei der grünen Pflanze auf dem Sofa hält der Vater leicht lächelnd den schlafenden Sohn. Draußen frühstücken Vögel. Zum Teil übernehmen die Illustrationen die Rolle eines allwissenden Erzählers: Vater, Sohn und Heim werden mal aus der Distanz gezeigt, mal aus der Nähe, und mal rutschen beide fast aus dem Bild. Mensch und Natur, letztere u.a. durch komplexe Symbolträger wie Fuchs und Vögel verdeutlicht, sind in dieser (Kunst-)Welt in eins gesetzt. Die Tiere nehmen jedoch angesichts ihres neugierig-naiven Umgangs mit dem Dasein dem Buch an Schwere.
Mit „Papas Arme sind ein Boot“, nominiert für den DJLP, Sparte Bilderbuch, ist zwei norwegischen Künstlern ein gestalterisch ungewöhnliches und emotional berührendes Bilderbuch für Menschen jeden Alters gelungen. Es kann Trost spenden, aber auch Empathie und Verständnis auslösen.
(Der Rote Elefant 29, 2011)