Die Handlung des Buches spielt zwischen 1938, dem Jahr des Tigers, und 1947, dem Jahr des Schweins. Sie beginnt in Genua, wo die (halb)jüdische Familie Finkelstein ein Schiff besteigt, das sie nach Schanghai bringen soll. Dort endet die Handlung schließlich, wiederum in einem Hafen, da die Eltern von Inge nach Australien auswandern, während sie im vorrevolutionären China bleibt. Die Hauptfigur Inge, die zu Beginn 10 Jahre alt ist, kann aufmerksamen Lesern bekannt erscheinen, da sie bereits in einem früheren Buch der Autorin – „Ina aus China“ – vorkam. Zu der Zeit lebten die Finkelsteins noch in Brandenburg, das sie jetzt wegen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten verlassen mussten.
Für Inge ist die Flucht nach Schanghai ein Abenteuer, dem sie sich mit viel Energie und Tatkraft stellt. Sie ist diejenige aus der Familie, die am schnellsten die Sprache lernt, Kontakte knüpft, trotz größter Entbehrungen nicht den Mut verliert und durchsetzt, in Schanghai bleiben zu können. Allerdings hat sie auch einen männlichen Freund und Beschützer gefunden, dessen Zuneigung sie sich sicher sein kann. Bis dahin musste sie wie die anderen deutsch-jüdischen Emigranten um ihren Lebensunterhalt kämpfen, sah sich mit der japanischen Besatzungsmacht konfrontiert, der Einweisung in ein Ghetto, den amerikanischen Bomberangriffen. Von den Schrecken des Holocaust und den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki erfährt sie erst nach dem Krieg. Für sie selbst geht alles gut aus, literarisch gesehen fast ein bisschen zu gut.
Die Autorin, laut Klappentext Germanistin und Sinologin, ist keine herausragende Stilistin, es gelingt ihr aber, die Milieus der verschiedenen Stadtsektoren im Schanghai der 40er Jahre anschaulich zu beschreiben und die Situationen, in denen ihre Protagonisten handeln, vor dem Auge des Lesers lebendig werden zu lassen. Ihre besondere Leistung – vielleicht auch das persönliche Anliegen – ist, die Begeisterung ihrer Heldin für die fremde Kultur, einschließlich Sprache, Schrift, Mahlzeiten und Verhaltensregeln, überzeugend miterleben zu lassen.
Nebenbei wird auch ein Stück wenig bekannter deutscher und internationaler Geschichte erzählt. Mal nicht um den Nabel Europa kreisend. (Eine historische Einordnung über die Ereignisse in Deutschland und Asien ermöglicht eine 9-seitige Zeittafel.)
(Der Rote Elefant 30, 2012)