Es ist Nacht. Eine dunkle Gestalt mit Sack auf dem Rücken schleicht zu einem vom Mond beschienenen kleinen Haus. „Pssst“, flüstert sie dem Betrachter zu. Die Gestalt steigt durchs Fenster ins Haus. Da ist es klar – ein Räuber. Er geht von Raum zu Raum und füllt seinen Sack: mit einer Vase, einer Zimmerpflanze, einem Teddy … Als er den Kühlschrank im Obergeschoss ausräumt, wird er vom Hund des Hauses auf frischer Tat ertappt. Was im nächsten Moment geschieht, bleibt offen. Dann ist der Räuber weg und der Hund stellt die beinahe erbeuteten Dinge an ihren Platz zurück. Nur bei der Wurst kann er nicht widerstehen.
Die Illustratorin Tini Malitius nimmt die Betrachter in ihrem gelungenen, witzigen Bilderbuchdebüt mit auf einen nächtlichen Ausflug, der zunächst unheimlich anmutet. Doch die Räubergeschichte entpuppt sich als feinsinniges, augenzwinkerndes Kammerspiel. Die fast kindlichen, vorwiegend dunklen, auf den ersten Blick schlicht gehalten Wachsmalzeichnungen entfalten als Teil der Geschichte ihre Doppeldeutigkeit und Komik beim mehrmaligen Anschauen.
Der auf die Lautfolge „Pssst“ reduzierte Text macht die Betrachtenden zu Mitwissern des Geschehens, um sie am Ende feststellen zu lassen, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Damit öffnet die Künstlerin eine zusätzliche Bedeutungsebene. Die Mimik des Räubers ändert sich nur durch die Verschiebung der Position von Augen, Nase und Mund. Gerade dadurch erzielt Tini Malitius eine enorme Wirkung. Die Illustrationen sind minimalistisch, Möbel und Räume werden durch weiße Umrisse angedeutet.
Die dunkle Doppelseite auf dem Höhepunkt des Geschehens lässt Spielraum für die eigenen Bilder im Kopf. Was wirklich zwischen den beiden Protagonisten passiert ist, müssen die Betrachter selbst imaginieren. Doch bald ist klar, dass sich Räuber und Bewacher nicht nur darin ähneln, wie sie sich durch die Räume bewegen.
Das Buch fördert schon bei jüngeren Kindern Spaß am genauen Hinsehen, Vergleichen, Beobachten und Deuten. Es eignet sich besonders gut für das Kamishibai. Ein kleines Stop-and-Go-Spiel – „Pssst!“, leise wie der Räuber höchstselbst – bereitet die Kinder darauf vor, die erste Hälfte der Bilder still in einem Raum anzusehen. An einem anderen Ort kann sprachlich zusammengetragen und bildhaft vergegenwärtigt werden, was der Räuber wo und in welcher Reihenfolge, gestohlen hat. Danach ist der Spannungsbogen perfekt, sodass auch die Auflösung ohne Worte angesehen werden kann, um im Anschluss die ganze Geschichte gemeinsam zu rekonstruieren.