Zum 100. Todestag des beliebten Dichters am 9. Januar 2008 erschien im Kindermann Verlag ein Band mit 11 Gedichten von Wilhelm Busch, illustriert vom mehrfach ausgezeichneten Buchkünstler Klaus Ensikat. Busch, der Meister der Bildgeschichte und selbst begnadeter Illustrator, von fremder Hand illustriert? Ein gewagtes Unterfangen, auch wenn Busch die ausgewählten Gedichte selbst nie bebilderte! Doch Ensikat löst das Problem geschickt: Nicht vorrangig die Gedichtinhalte, meist ist der Einzelgänger Busch selbst Gegenstand der Illustrationen: vor seinem Sekretär, unterwegs in der Kutsche oder flanierend. Die filigran-federleichten Illustrationen, die neben dem Meister auch alte Bauernhäuser, eine klapprige Mühle, dichten Wald oder ein uriges Gasthaus abbilden, wirken wie alte Fotos. Mit diesem Interieur lässt Ensikat die Zeit auferstehen, in der Busch seine Gedanken über Freundschaft und Verrat, Schneckenplagen, Dornenbüsche und das Wesen des Menschen in ironisch-bissige Verse fasste. Im Titelgedicht trachtet ein Kater nach dem Leben eines Vogels. Doch dieser bleibt gelassen, denn „weil mich doch der Kater frisst / so will ich keine Zeit verlieren / will noch ein wenig quinquilieren / und lustig pfeifen wie zuvor. / Der Vogel, scheint mir, hat Humor.“ Ensikat zeichnet keinen Kater – nur den verschmitzt dreinblickenden Busch, der im Garten einer Bahnhofsgaststätte ein Glas Wein genießt, umflattert von kleinen Vögeln. In „Der Begleiter“ herrscht ein anderer Ton. Hans hat ein Schwein verkauft und ist mit vollem Geldbeutel auf dem Heimweg. Als ihn ein Fremder einholt, freut er sich über die Begleitung im dunklen Wald: „Grüß Gott, ruft Hans, das trifft sich gut, / zu zweit verdoppelt sich der Mut.“ Dass der Fremde nach seinem Geld trachtet, bemerkt er (scheinbar) nicht. Er plaudert drauf los und stellt immer gerade dann eine Frage, wenn sein Begleiter zum Schlag mit dem „Knittel“ ansetzt. In Ensikats romantisch-düster-mondbeschienenem Wald (C. D. Friedrich lässt grüßen), verschwinden die Gestalten in der Dunkelheit – einträchtig nebeneinander her laufend. Ist der Mann mit Hut Busch selbst, der sich beim Waldspaziergang die Geschichte vom arglosen Hans ausdenkt? Ensikats diffizile, ausdrucksstarke Illustrationen machen den Gedichtband zu einer glänzenden Wilhelm-Busch-Hommage. Sie geben Kindern einen Einblick in die sozialen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts und helfen über die eine oder andere altertümliche Formulierung hinweg. Freude an den Versen ist ohnehin garantiert, wie z.B. diesem Reim: „Das Nilpferd pflückt sich oft gemütlich / ein Blümchen ab. Das macht sich niedlich!“.
Für einen Einstieg könnte man Busch wörtlich nehmen: z.B. die Windrichtung mit feuchtem Finger bestimmen („Der Wetterhahn), Mundübungen entsprechend der „Widmung in einem Kochbuch“ anstellen oder sogar einen Obstauflauf nach Gedicht-Rezept „Wie man einen Obstauflauf macht“ backen.
(Der Rote Elefant 26, 2008)