Das fröhlich wirkende und sehr komplexe Bilderbuch ist selbst ein Kunstwerk. Es gestaltet die Suche des berühmten niederländischen Malers Piet Mondrian (1872-1944) nach neuen Malweisen und beschreibt seinen Weg von der Landschaftszur abstrakten Malerei.
Schon dem Cover ist das zu entnehmen: in die Kulisse der nachempfundenen „Komposition mit Gelb, Blau und Rot“ setzt van Reek farbenfrohe, flächige Comic-Figuren. Alle steuern vor schwarzen Linien und weißen Flächen (Mondrians Bildfelder) irgendein Ziel an. Darüber stehen Titel samt Untertitel bzw. ein Foto von Mondrian und sein kongenial gezeichnetes Pendant Spähwinkel. Gekonnt und anspielungsreich verbindet van Reek in Bild und Text Details aus Mondrians Kunstwerken und Leben mit der (Kunst)Abenteuergeschichte von Krawinkel & Eckstein.
Vogelmensch Krawinkel und Hund Lupus Wolfram von Eckstein, bekannt durch die „Sendung mit der Maus“ und das Bilderbuch „Die Rettungsaktion“ (DJLP-Nominierung 2007), treffen Spähwinkel und Hund Foxtrott, als diese verzweifelt nach der Zukunft suchen. Von deren Unruhe angestiftet, machen sich auch die Freunde auf den Weg. Dieser führt durch Mondrians Landschaften, die von Seite zu Seite minimalistischer und abstrakter werden. Sie treffen Spähwinkel in der verwirrenden Großstadt wieder, verlieren einander, um schließlich ihr Wiedersehen mit einem fulminanten Freudentanz in Spähwinkels Atelier zu feiern, der sein neuestes Bild präsentiert: „Victory Boogie Woogie“. Dieses letzte (unvollendete) Bild des Jazzmusik-Liebhabers Mondrian sprüht förmlich durch die Verbindung von Farbrastern mit farbigen Linien. Der knappe Text erzählt das Geschehen objektiv, meist in Dialogen. Vor- und Nachsatzpapier rahmen die Erzählung. Aus dem für den frühen Mondrian typischen naturalistischen Baum vorn wird hinten eine Staffelei mit rautenförmigem Bild. Spähwinkels Ausruf: „So sieht die neue Zukunft aus. Das ist der Stil!“ spielt auf den Namen der Zeitschrift und Künstlervereinigung an, die Mondrian mitbegründete, um Abstraktion und Reduktion in der Malerei zu diskutieren.
Van Reeks handgemachte Computeranimation überzeugt durch spannungsreiche Wechsel: dem von Perspektiven und dem zwischen ganzseitiger Illustration und kleinen schwarz umrandeten Flächen, die – wie eckige Bild-Sprechblasen – Abläufe darstellen. Das Bilderbuch ist vorder- und hintergründiger Seh- und Vorlesegenuss für Wissende und Neugierige. Auch kleine Kinder können schwarz umrandete Felder auf einem A4-Blatt mit Rot, Blau und Gelb gestalten und die weiße Fläche einbeziehen. So „spielen“ sie wie Mondrian und haben ein ästhetisches Erlebnis eigener Art.
(Der Rote Elefant 30, 2012)